Scheinselbstständigkeit – also die falsche Einstufung von Arbeitnehmern als Selbstständige – ist in Deutschland kein Kavaliersdelikt, sondern gilt rechtlich als Form der Schwarzarbeit. Wird ein freier Mitarbeiter tatsächlich wie ein Angestellter beschäftigt, drohen sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer ernsthafte Konsequenzen, von Nachzahlungsforderungen der Sozialversicherung bis hin zu Strafverfahren. Die Bundesregierung plant nun eine umfassende Reform, um solche Scheinverträge stärker zu bekämpfen. Am 7. Juli 2025 hat das Bundesfinanzministerium einen Referentenentwurf für das Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung (sogenanntes SchwarzArbMoDiG) vorgelegt. Dieser Entwurf setzt Vorgaben des Koalitionsvertrages (CDU/CSU und SPD) um und zielt darauf ab, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll zu stärken – insbesondere im Kampf gegen illegale Beschäftigung, Scheinselbstständigkeit sowie Scheinwerk- und Scheindienstverträge.
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In diesem Blogbeitrag möchten wir verständlich erklären, welche Änderungen zur Scheinselbstständigkeit geplant sind, was sich im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ändern würde und welche praktischen Folgen das für Selbstständige und Unternehmen haben kann. Dabei knüpfen wir an frühere Beiträge der Legal Defenders zum Thema Scheinselbstständigkeit an und geben konkrete Handlungsempfehlungen für Auftragnehmer und Auftraggeber.
Überblick: Was sieht der Gesetzentwurf vor?
Der Referentenentwurf verfolgt das Ziel, die FKS auf zukünftige Herausforderungen auszurichten. Durch digitale Vernetzung und automatisierte Datenanalysen sollen Kontrollen effizienter und gezielter werden, ohne unnötige Bürokratie. Geplant ist insbesondere ein risikoorientierter Prüfansatz: Große Datenmengen sollen systematisch ausgewertet werden, um Branchen oder Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit für Schwarzarbeit (und damit auch Scheinselbstständigkeit) zu identifizieren. Das Bundesfinanzministerium geht laut Entwurf davon aus, dass durch diese Maßnahmen die Entdeckungsquote von Verstößen etwa verdoppelt werden könnte – ein Hinweis darauf, wie viele Fälle von Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit bislang im Verborgenen bleiben.
Konkret sollen die Befugnisse der FKS deutlich erweitert werden. Die FKS soll sich zu einer zentralen Prüfungs- und Ermittlungsbehörde weiterentwickeln. Geplant ist etwa, dass Zoll-Prüfer künftig unangekündigt Geschäftsräume betreten und elektronische Daten vor Ort einsehen dürfen. Außerdem soll die FKS in bestimmten Fällen eigenständig Ermittlungsverfahren durchführen können – Aufgaben, die bisher der Staatsanwaltschaft vorbehalten waren. All dies soll dazu dienen, Verstöße schneller und effektiver zu verfolgen. Neu ist auch, dass Plattformbetreiber und Medien umfassendere Auskünfte erteilen müssen, wenn dort anonym Dienst- oder Werkleistungen angeboten werden – beispielsweise müssen sie nun auch die Anzahl der Anzeigen eines Nutzers nennen. Damit will man unter anderem Online-Plattformen ins Visier nehmen, auf denen regelmäßig Aufträge vergeben werden, um verdächtige Häufungen besser erkennen zu können.
Zudem setzt der Entwurf bei der Datenvernetzung an: Die FKS soll künftig auf mehr externe Daten zugreifen dürfen, um Scheinselbstständigkeit aufzudecken. Ein Beispiel ist die Einbindung der sogenannten A1-Datenbank (Nachweise über Sozialversicherung bei Auslandseinsätzen). Durch Abgleich solcher Daten kann der Zoll Indizien für mögliche Scheinselbstständigkeit gewinnen, die bisher unentdeckt blieben. So könnten etwa Personen auffallen, die angeblich als Selbständige im Ausland tätig sind, tatsächlich aber in einem Arbeitnehmerverhältnis im Inland stehen. Insgesamt sollen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden Informationen umfassender austauschen, um Fälle von Schwarzarbeit schneller gemeinsam aufzudecken.
Neue Straf- und Bußgeldvorschriften runden das Reformpaket ab. Geplant ist eine praxisnähere Ausgestaltung des Strafrechts: So soll z. B. das organisierte Vermitteln von illegalen Arbeitskräften oder das Erstellen falscher Dokumente („Scheinfirmen“ zur Verschleierung) härter bestraft werden. Auch der Bußgeldrahmen für bestimmte Ordnungswidrigkeiten im Bereich Schwarzarbeit soll erhöht werden – ersten Stellungnahmen zufolge ist etwa eine Anhebung der Geldbußen von bislang 30.000 € auf bis zu 50.000 € im Gespräch (z. B. bei Verstößen gegen Dokumentationspflichten, Mindestlohn oder Meldepflichten). Ebenso soll der Katalog der prüfpflichtigen Branchen erweitert werden: So wird z. B. explizit das Friseur- und Kosmetikgewerbe einbezogen, weil dort vermehrt Verstöße auftreten sollen. Solche Unternehmen müssen dann verstärkt mit Kontrollen rechnen und bestimmte Unterlagen (Meldebescheinigungen, Ausweise der Mitarbeiter etc.) jederzeit bereithalten.
Was ändert sich gegenüber der bisherigen Rechtslage?
Viele der genannten Maßnahmen bedeuten eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Bisher lag der Fokus der FKS zwar schon auf der Kontrolle von Sozialversicherungsabgaben, Mindestlohn und illegaler Beschäftigung, doch erfolgten Prüfungen oft stichprobenartig oder anlassbezogen. Die Reform würde hier einen Paradigmenwechsel einleiten: weg von rein routinemäßigen Prüfungen hin zu datengestützten Ermittlungen. Schon jetzt darf die FKS bei Prüfungen Auskünfte verlangen und Betriebe betreten, aber mit dem neuen Gesetz würden diese Befugnisse erweitert und technisiert. So sollen elektronische Aufzeichnungen und digitale Geschäftsunterlagen schneller zugänglich sein, ohne lange auf richterliche Beschlüsse warten zu müssen – etwa Kassendaten, Zeiterfassung oder E-Mails im Betrieb, sofern relevant. Für Unternehmen bedeutet das weniger Vorwarnzeit und eine größere Durchleuchtung in Echtzeit.
Eine weitere Neuerung ist die stärkere Zusammenarbeit der Behörden. Bislang waren Aufdeckung und Ahndung von Scheinselbstständigkeit oft Sache der Rentenversicherung (Statusfeststellungsverfahren) oder erfolgten erst im Nachhinein durch Betriebsprüfungen. Künftig würde der Zoll proaktiv Daten nutzen, um Verdachtsfälle schon im Vorfeld aufzuspüren. Beispielsweise könnten Auffälligkeiten in Meldeverfahren (etwa häufige Kurzaufträge über Plattformen oder widersprüchliche Sozialversicherungs-Meldungen) unmittelbar einen automatisierten Prüfhinweis auslösen. Hier greift die Reform der Deutschen Rentenversicherung vor, die mit ihrem Prüf-Tool „KIRA“ bereits begonnen hat, den sozialversicherungsrechtlichen Status von Dienstleistern automatisiert zu bewerten. Die FKS würde diesem Beispiel folgen und sozusagen ein eigenes „Frühwarnsystem“ für Scheinselbstständigkeit etablieren.
Auch in puncto Sanktionen und Verfahren bringt der Entwurf Neuerungen. Der Zoll könnte selbstständig Strafverfahren führen – bisher mussten bei gravierendem Verdacht Staatsanwälte eingeschaltet werden. Das beschleunigt zwar die Verfahren, ist aber umstritten (dazu gleich mehr). Außerdem werden digitale Formen der Arbeitsvermittlung erstmals explizit ins Auge gefasst: Zwar gilt schon nach aktueller Rechtslage, dass etwa das Anbieten von Arbeit auf einem Parkplatz als illegale Tagelöhnerei verboten ist. Doch nun fordert etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund, dieses Verbot auf Online-Plattformen auszuweiten, da die Gig-Economy zunehmend als „virtueller Marktplatz“ für potenziell illegale Jobs dient. Der Entwurf enthält entsprechende Überlegungen, sodass künftig das Anbieten und Nachfragen von Arbeitsleistung auf öffentlichen Internet-Plattformen stärker reguliert oder verboten werden könnte, falls es der Umgehung von Arbeitsrecht dient. Für Plattformbetreiber und Nutzer würde das mehr rechtliche Verantwortung bedeuten.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage wird der Prüf- und Kontrolldruck steigen. Scheinselbstständigkeit wird ausdrücklich als Schwerpunkt benannt und mit modernen Mitteln verfolgt. Unternehmen können sich nicht mehr darauf verlassen, erst Jahre später im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung erwischt zu werden – die Gefahr zeitnaher Enthüllung steigt beträchtlich. Für Betroffene verkürzt sich auch das Zeitfenster, in dem man Unstimmigkeiten korrigieren kann, bevor Behörden es merken. Hier heißt es also: besser frühzeitig handeln.
Mögliche Auswirkungen in der Praxis
Welche Branchen und Akteure trifft diese Reform besonders? Aus unserer Sicht wird es vor allem dort spürbar sein, wo flexible Arbeitsformen verbreitet sind – also genau die Bereiche, in denen Scheinselbstständigkeit bisher oft ein Thema ist.
Plattformarbeit (Gig-Economy): Dienste wie Fahrdienstvermittler, Lieferplattformen oder Online-Marktplätze für Kleinaufträge könnten verstärkt ins Visier geraten. Hier arbeiten viele formal Selbständige, die aber de facto weisungsgebunden und in die Abläufe der Plattform integriert sind. Bereits jetzt gilt: Scheinselbstständigkeit ist Schwarzarbeit und illegal. Künftig dürften Kontrollen im Plattformsektor zunehmen. Die Behörden könnten z. B. abfragen, welche Auftraggeber besonders viele einzelne „Gig“-Aufträge vergeben, um dort gezielt nachzuforschen, ob tatsächlich selbständige Dienstleistungen vorliegen oder ob Umgehung regulärer Jobs betrieben wird. IT-Freelancer und Kreative sollten ebenfalls aufmerksam sein: In Projekten, wo ein Freelancer über Monate wie ein Teammitglied arbeitet, steigt das Risiko einer späteren Einstufung als Arbeitnehmer. Durch die Reform könnten solche Fälle schneller auffallen – etwa durch Datenabgleich von Rechnungsmustern oder Einsatzzeiten. Gerade Solo-Selbständige mit nur einem Hauptauftraggeber müssen hier aufpassen.
Klassische Branchen mit Mischformen: Auch im Baugewerbe, in der Logistik oder im Pflegebereich gibt es häufig Konstrukte, bei denen Arbeitnehmer als Subunternehmer auftreten. Diese Branchen standen zwar schon immer unter Beobachtung, doch durch das neue Gesetz wird die Trefferquote der Prüfungen steigen. So erwartet man mehr Schwarzarbeiter-Aufgriffe auf Baustellen und in Lieferflotten, weil der Zoll mithilfe digitaler Hinweise (z. B. ungewöhnlich viele Ein-Personen-Gewerbe in einer Firma) gezielt zuschlagen kann. Das Friseur- und Kosmetikhandwerk wurde – wie oben erwähnt – explizit neu in den Fokus genommen. Aktionen der FKS im April 2025 zeigen bereits, was das bedeutet: Bundesweit wurden hunderte Salons unangekündigt geprüft; es hagelte Verfahren wegen nicht gezahlter Sozialbeiträge, illegaler Beschäftigung und mehr. Wer also z. B. als Saloninhaber bisher auf scheinbar „selbständige“ Aushilfen gesetzt hat, sollte spätestens jetzt umdenken.
Für Selbstständige persönlich kann die Reform ebenfalls Folgen haben. Statusfeststellungen (also die Frage „selbständig oder angestellt?“) könnten zukünftig häufiger von Amts wegen aufgeworfen werden. Wer als Freelancer längere Zeit für denselben Auftraggeber tätig ist, muss damit rechnen, dass Behörden nachhaken. Im schlimmsten Fall droht rückwirkend die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses – inklusive Nachzahlung von Sozialabgaben für bis zu vier Jahre, in Vorsatzfällen sogar bis zu 30 Jahre rückwirkend. Das kann für einen kleinen Betrieb existenzbedrohend sein und auch den ehemals Selbstständigen finanziell treffen.
Nicht zuletzt hat die Reform eine psychologische Wirkung: Die verstärkte öffentliche Diskussion sendet ein Signal, dass Scheinselbstständigkeit konsequenter verfolgt wird. Arbeitgeber, die bisher in der Grauzone operierten, könnten abschreckende Beispiele vor Augen geführt bekommen – etwa medienwirksame Razzien bei Lieferdiensten oder Strafen gegen bekannte Plattformen. Das erhöht den Druck, von vornherein rechtskonforme Modelle zu wählen (z. B. echte Werkverträge nur dort einzusetzen, wo ein Ergebnis geschuldet wird, und ansonsten Arbeitnehmer anzustellen).
Kritik und rechtliche Einordnung
In der Fachwelt wird das Reformvorhaben durchaus kontrovers diskutiert. Anwaltliche Berufsverbände wie der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnen vor einer Überdehnung der Ermittlungsbefugnisse der FKS. Insbesondere im Grenzbereich Scheinselbstständigkeit sei häufig eine sorgfältige Einzelfallprüfung nötig, betont der DAV – pauschale Kriterien oder automatisierte Entscheidungen könnten der komplexen Realität nicht gerecht werden. Die Frage, ob jemand Arbeitnehmer oder Selbständiger ist, hängt von vielen Faktoren (Weisungsgebundenheit, Eingliederung in Betrieb, Unternehmerrisiko etc.) ab und sorgt selbst vor Gerichten oft für Streit. Hier befürchtet man, dass Zollbeamte ohne juristische Ausbildung künftig Entscheidungen treffen oder erzwingen könnten, die eigentlich nur ein Gericht sauber klären kann. Schließlich geht es um nichts weniger als Grundrechte: Die Abgrenzung betrifft Vertragsfreiheit, Berufsfreiheit und oft die Existenz der Betroffenen.
Auch verfassungsrechtliche Bedenken wurden geäußert. Wenn der Zoll umfangreiche Daten sammelt und ohne Anfangsverdacht Personen durchleuchtet, steht das in einem Spannungsverhältnis zum Datenschutz und Persönlichkeitsrecht. Kritiker mahnen, dass Eingriffe in Grundrechte immer verhältnismäßig bleiben müssen – und dass im Rechtsstaat gewisse Maßnahmen einen Richtervorbehalt brauchen. Die geplante Reform verwische etwas die Grenze zwischen Verwaltung und Strafverfolgung, da eine dem Finanzministerium unterstellte Behörde (Zoll/FKS) Aufgaben der Strafjustiz übernehmen soll. Gewerkschaften hingegen begrüßen grundsätzlich eine härtere Gangart gegen Ausbeutung, weisen aber darauf hin, dass Gesetze nur so gut wirken wie ihre Umsetzung. Die Zollgewerkschaft etwa fragt skeptisch, wie die FKS das erweiterte Aufgabenprofil mit der aktuellen Personal- und Technikausstattung stemmen soll. Zusätzlich fordert der DGB, dass man Online-Vermittlung von Arbeit endlich klar regelt, da sonst die Digitalisierung die Schwarzarbeit nur verlagert – hier wünschen sich Arbeitnehmervertreter also sogar noch strengere Vorgaben.
Für Sie als Mandant – ob selbstständig oder unternehmerisch tätig – zeigt diese Debatte vor allem eins: Das Thema Scheinselbstständigkeit bleibt schwierig. Einerseits will der Gesetzgeber entschlossen dagegen vorgehen, andererseits muss die Praxis zeigen, wie die neuen Regeln angewendet werden und ob Gerichte gegebenenfalls Korrekturen vornehmen. Bis ein final beschlossenes Gesetz in Kraft tritt, können sich noch Details ändern.
Wir von Legal Defenders behalten die Entwicklung genau im Auge, um Sie stets auf dem Laufenden zu halten.
Handlungsempfehlungen für Selbstständige und Auftraggeber
Angesichts der geplanten Änderungen sollten sowohl Selbstständige als auch Auftraggeber jetzt proaktiv werden, um böse Überraschungen zu vermeiden. Nachfolgend unsere wichtigsten Empfehlungen:
1. Status genau prüfen: Unternehmen, die freie Mitarbeiter beschäftigen, sollten kritisch analysieren, ob diese wirklich selbstständig tätig sind. Stellen Sie sich Fragen wie: Hat der Freelancer noch andere Kunden? Nutzt er eigene Arbeitsmittel? Kann er seine Arbeit frei gestalten? Wenn in Wahrheit eine Eingliederung ins Team und Weisungsbindung besteht, ist es sicherer, gleich ein reguläres Anstellungsverhältnis zu schaffen. Im Zweifel kann ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden, um rechtsverbindlich klären zu lassen, ob Sozialversicherungspflicht besteht. Diese Verfahren wurden kürzlich vereinfacht – nutzen Sie sie, bevor es der Zoll für Sie übernimmt.
2. Vertragsgestaltung und Dokumentation: Achten Sie darauf, klare Verträge zu schließen. In echten Werk- oder Dienstverträgen sollte konkret ein abgrenzbares Werk oder eine definierte Dienstleistung beschrieben sein, nicht allgemeine Daueraufgaben. Vermeiden Sie Klauseln, die einer Arbeitnehmerstellung entsprechen (z. B. feste Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen). Selbstständige sollten nach außen als solche auftreten: eigene Website, Visitenkarte, mehrere Auftraggeber, ggf. eigenes Gewerbe. All das kann später helfen zu belegen, dass keine Scheinselbstständigkeit vorlag. Führen Sie Aufzeichnungen, die Ihre unternehmerische Tätigkeit belegen (Angebote, Rechnungen an verschiedene Kunden, Werbung etc.).
3. interne Checks und Compliance: Größere Unternehmen sollten Compliance-Routinen einführen, um das Risiko von Scheinselbstständigkeit zu managen. Dazu gehört, dass die Personalabteilung oder Rechtsabteilung alle Freelancer-Verträge regelmäßig screenet. Entwickeln Sie Checklisten: z. B. „Freier Mitarbeiter seit mehr als 18 Monaten ununterbrochen für uns tätig?“ – wenn ja, genau hinsehen. Auch Honorarhöhe und Tätigkeit sollten plausibel sein (kein „Freier“ in Vollzeit für 2000 € im Monat – das passt selten). Lieber früh korrigieren als später Strafe zahlen.
4. Im Zweifel legalisieren: Sollte sich herausstellen, dass Sie bereits in einer Grauzone operieren – etwa ein Freelancer eigentlich Arbeitnehmermerkmale aufweist – ziehen Sie die Notbremse. Es kann sinnvoll sein, die Person fest anzustellen oder das Auftragsverhältnis neu zu strukturieren, bevor die Behörde aktiv wird. Denken Sie daran: Wenn erst die Prüfung ins Haus steht, ist es zu spät für kosmetische Korrekturen. Die Reform könnte Kontrollen ohne Vorwarnung bringen, daher handeln Sie besser vorher.
5. Frühe Selbstanzeige bei Verstößen: Wenn Ihnen auffällt, dass in der Vergangenheit Scheinselbstständigkeit vorlag oder Sozialbeiträge nicht korrekt abgeführt wurden, kann eine Selbstanzeige bei der Sozialversicherung der rettende Ausweg sein. Wie wir in einem früheren Legal-Defenders-Beitrag erläutert haben: Wer von sich aus aktiv wird und Fehltritte meldet, steht am Ende deutlich besser da als derjenige, der abwartet, bis der Prüfer klingelt. Eine Selbstanzeige ersetzt zwar nicht die Nachzahlung offener Beiträge, verhindert aber schlimmstenfalls ein Strafverfahren und kann den Unterschied zwischen einer strafrechtlichen Anklage und einer bereinigten Angelegenheit ohne Vorstrafe bedeuten. Wichtig ist, dass man schnell und vollständig reinen Tisch macht. Lassen Sie sich hierbei anwaltlich begleiten, um formale Fehler zu vermeiden – eine korrekt durchgeführte Selbstanzeige kann unter den engen Voraussetzungen des § 266a StGB sogar Straffreiheit bewirken.
6. Weiterbildung und Beratung nutzen: Bleiben Sie informiert über die Rechtsentwicklung. Wir empfehlen Verantwortlichen in Unternehmen, Schulungen zum Thema Scheinselbstständigkeit/Arbeitnehmerüberlassung zu besuchen. Selbstständigen raten wir, sich frühzeitig Rat vom Fachanwalt zu holen, wenn größere Aufträge anstehen, die sie in Abhängigkeit führen könnten. Die Investition in Beratung ist klein im Vergleich zu den möglichen Nachzahlungen und Strafen.
Fazit
Die geplante Reform der Scheinselbstständigkeit im Rahmen des SchwarzArbMoDiG könnte einen Wendepunkt markieren. Mit digitalem Datenaustausch, schlagkräftigeren Kontrollen und neuen Strafvorschriften will der Gesetzgeber die Grauzonen auf dem Arbeitsmarkt ausleuchten. Für ehrliche Unternehmen und echte Solo-Selbständige ist das grundsätzlich eine gute Nachricht, denn es schützt vor unfairer Konkurrenz und stärkt den Sozialstaat. Gleichzeitig erhöht es aber den Druck auf alle Beteiligten, bestehende Arbeitsverhältnisse korrekt zu handhaben. Selbständige müssen noch genauer darauf achten, wirklich unabhängig zu agieren, und Unternehmen müssen bei der Beauftragung externer Kräfte mehr denn je sorgsam vorgehen.
Noch handelt es sich um einen Referentenentwurf, der finalen politischen Abstimmungen unterliegt. Änderungen im Gesetzgebungsverfahren sind möglich, und wir werden sehen, in welcher Form das Gesetz letztlich verabschiedet wird. Klar ist jedoch schon jetzt: Die Tendenz geht zu verstärkter Kontrolle und weniger Toleranz gegenüber Scheinselbstständigkeit. Daher sollten Sie präventiv tätig werden, anstatt auf den „großen Knall“ zu warten.
Bei Fragen zur aktuellen Rechtslage stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite und beraten im Bereich der Selbstanzeige oder straf- und bußgeldrechtlichen Verteidigung.
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